Meine Göttin! (Teil 1)

von dobbyline


Es raschelt. Schon wieder!
Jetzt sehe ich zum fünften Mal in die Richtung, wo ich denke, dass diesesstörende Geräusch herkommt, und das innerhalb zwei Minuten. Meine Göttin, leide ich schon an Verfolgungswahn? Kann ich nicht mal im ParkRuhe finden und entspannt lesen?
Da! Schon wieder... war das jetzt der Vogel da im Baum, oder - oh, nur eineFrau mit ein paar Kindern. "Christina", denke ich mir, "reiss dich zusammen.
Du liegst auf `ner Wiese, daneben eine Reihe von unzähligen Büschen unddahinter `n Weg. Da ist es klar, dass viele Leute vorbeikommen und dass das dieseGeräusche ergibt..."
Plötzlich kommt ein Mann aus den Gebüschen auf mich zu. Hab` ich`s dochgewusst!
Ich schätze ich auf - sagen wir - 30. Dreist entwendet er mir mein Buch -ein Coming-Out-Buch.
"Hey...", will ich anfangen, doch er sagt nur locker: "Fresse, du Homo!",als wenn ich sonst was wäre. Er liest die Rückseite des Buches, wobei seineMiene immer abwertender wirkt. Durch die Tatsache, dass er `ne Glatze hat, machter sich nicht gerade sympathischer, im Gegenteil.
Ich kriege das Buch gedonnert gegen meinen Brustkorb wieder. "Du hältst dichwohl für besonders cool, wenn du dich auf deutschen Grund und Boden setzt,was!?", kriege ich zu hören. Mir stockt der Atem; ich bin angespannt - das istmir noch nie passiert. Doch er sieht dumm aus, deswegen riskiere ich esauch, auf cool zu tun.
"Und du, findest du es cool, auf Hitler zu machen!?" - WUMM!
Seine Faust landet knapp an meiner Brille vorbei zu meinem Wangenknochen...
mir wird etwas Schwarz vor Augen, ich taumele nach hinten auf den Rücken underwarte den nächsten Schlag oder Tritt, was sich halt für ihn anbietet,doch... Ich höre nur wildes Mädchengeschrei, irgendwas wie: "Hau ab!", ich weisses nicht genau, bin quasi blind und taub vor lauter Sternchen...
Zwei kräftige, aber doch sanfte Hände packen mich an den Schultern undziehen mich hoch, dass ich wieder sitze. Ich blinzle etwas und erkenne nun meineRetterin: ein schwarz- und kurzhaariges Mädchen, an die 17 vielleicht, undziemlich viele Sommersprossen um die Nase.
"Hat dich ja ganz schön erwischt, der Scheißkerl.", sagt sie mit einerwundervollen Stimme, wie ich finde.
"Was?... oh, ja, wenigstens ist meine Brille ganz." Hätte ich jetzt was nochdümmeres sagen können?, frage ich mich im selben Moment. Doch sie grinst nur und meint: "Na, deinen Galgenhumor scheinst du jatrotzdem zu haben."
Sie kramt plötzlich in ihrem Rucksack rum und holt ein weißes Paket raus.
"Was ist das?", frage ich überflüssiger weise, denn schon hält sie mir einekalte Kompresse an meine Wange und jetzt erst spüre ich den Schmerz diesesSchlages.
"Halt mal selbst, sonst fällt mir noch der Arm ab", sagt sie nach einerWeile.
"Sag mal, wirst du mal Krankenschwester, oder so?", frage ich ungeniert.
Sie schüttelt den Kopf, sagt: "Ich bin nur vorsichtig... was du auch seinsolltest.", und nimmt mein Buch zur Hand.
Nachdem sie den Text auf der Rückseite gelesen hat, schaut sie mich an undmeint: "Gutes Buch, oder? Mir gefällt es."
In diesem Moment wird mir klar, mehr als ich es schon die ganze Zeitvermutet hatte, dass ich neben `ner Schwester sitze. Und mich grad verknallt hab.
"Was machst du so allein im Park?", fragt sie dann, "du solltest mit anderenschönen Mädels hier sitzen, das ist sicherer."
"Jetzt hab ich ja eins.", entfährt es mir da.
Im ersten Augenblick sieht sie mich erstaunt an, im nächsten aber lächeltsie wieder.
"Du bist süß!", sagt sie plötzlich und jetzt werden wir beide auch noch rot.

Um etwas abzulenken, frage ich, wie sie heisst.
"Jessica, aber du kannst mich auch Jessy nennen. Und du?"
"Christina, aber nenn mich ruhig Chris oder Chrisi."
Wir beide grinsen uns verlegen an. Sie mustert mich und sieht so aus, alswenn sie gerade mit sich selbst ringt. Da hör ich auch schon ihre Frage: "Magstdu ein Eis essen gehen oder so? Ich lad dich ein... und dein Schlagabzeichensieht gar nicht mehr so schlimm aus...", fügt sie grinsend hinzu undstreicht mir über die Wange, so dass mir ein wahrer Blitz durch das Innere meinesKörpers fährt.
Ich lächele und sage: "Klar, wieso nicht!?"
Noch Stunden später unterhalten wir uns lachend beim wahrscheinlich schon 3.Eis. ...

Fortsetzung folgt...