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Zerstört

von scorpio


Scheinbar plötzlich war es da, das Bild der Zerstörung.
Dabei sah ich sie schon so oft durch unsere Straßen rollen, die Panzer - erbarmungslos in meinen Träumen.
Das Haus, es steht noch, ist bewohnbar, muss es sein - vorerst, denn kaum etwas ist heil geblieben. Das Mobiliar ist kaputt mit allem, was dazu gehört. Was noch zu gebrauchen ist, wird rausgesucht. Ich suche es raus. Viel bleibt nicht übrig. Es gibt kein Licht, zersprungenes Glas liegt herum.
Viel schlimmer ist die Verwirrung, die Unklarheit. Fast alle sind weg. Die Familie ist zerstreut, die Eltern, Kinder, Geschwister und Großeltern - getrennt. Nicht zu wissen, wie es ihnen geht, noch wo sie sind. Und trotzdem weitermachen, weiterexistieren.
Und dann geht es langsam wieder aufwärts, äußerlich, was innen liegt, bleibt verborgen. Viele Häuser wurden abgerissen, der Schutt zu Haufen zusammen geschoben und abgefahren. Neue Häuser wurden gebaut. Was bleibt ist die innere Zerstörung.
Noch immer kein Zeichen von den Lieben, dafür ein neues zu Hause, kärglich. Es ist leer und kalt und das Lachen fehlt.

Eines Tages steht sie plötzlich vor mir, meine Zwillingsschwester. Keine von uns findet Worte. Wir sehen uns nur an. Gut sieht sie aus, im Gegensatz zu mir.
Irgendwann fängt sie an zu erzählen. Der Älteren gehe es sehr gut, sie lebe mit den Nichten und Neffen in California.
Wir gehen schweigend nebeneinander her durchs Dorf. Warum sie sich erst jetzt melden, frage ich schließlich, obwohl ich den Grund kenne. Die Lage ist immer noch angespannt, weshalb meine Zwillingsschwester alleine hergereist ist.
Meine Nerven sind am Ende. Das unverhoffte Wiedersehen und die vielen Neuigkeiten sind zu viel für mich. Sie merkt es; sieht mich von der Seite an; ich weiß, was sie denkt.
Ausgemergelt sehe ich wohl aus und müde, vor allem vom Warten. Ich schaue an mir herunter und stelle das erste Mal erschrocken fest, wie abgemagert ich bin. Ihr Blick fordert mich auf mitzukommen, weg von hier.
Zwei Jahre ist es her, dass wir uns nicht sahen, zwei Jahre ohne Familie und Freunde, ohne einen funken Hoffnung. Zwei Jahre voll von zermarternden Sorgen und Schmerzen. Ein neues Leben haben sie sich aufgebaut, in den zwei Jahren.
Dort, wo sie jetzt leben, haben neu angefangen, sich gut eingelebt. Ich höre all das und höre es doch nicht. Sie will mich mitnehmen. Ja, denke ich. Aber sagen kann ich es nicht.
Wir gehen weiter durchs Dorf. Einsam ist es hier geworden.
Mein Geist ist wie gelähmt, apathisch. Ich war zwei Jahre lang tot. Lebe ich denn überhaupt ? Ich versuche, meiner Zwillingsschwester zu antworten, aber es geht nicht. Die Trauer ist zu groß, sitzt zu tief, hält mich fest in ihrem eisernen Griff. Tränen laufen mein Gesicht entlang, immerzu und wollen nicht enden. Und ich kann nichts dagegen tun. In mir ist etwas zerstört, die Freude, die einst mein Leben bestimmte, ist weg. Und ich habe Angst, Angst sie niemals wieder zu finden, niemals wieder leben zu können, egal wo.
Und dann wache ich auf und da ist sie wieder, diese Trauer.



copyright © by scorpio. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


dito
<---ebenso sprachlos ist!!!!!
WOW.

LG Laune
- 16.10.2002 15:57
sprachlos
ariel - 14.10.2002 21:23
gedanken
sue-melissa - 13.10.2002 23:14

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