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Mauerseglerin

von todavialguien


Die Türklingel fuhr wie ein Stromschlag durch meinen Körper. Mit einem möglichst gleichgültig gemurmelten „Ich geh‘ schon“ näherte ich mich unauffällig jenem Augenblick, der seit Wochen das absolute Highlight in meinem sonst so eintönigen Alltag war. Die Post. Oder eher gesagt ihre Überbringerin.
Ein strahlendes Lächeln aus funkelnden Augen und ein „Hier, bitte“, das unweigerlich meine untrainierten Gesichtsmuskeln ebenfalls zu einem Lächeln formte. Noch nie war ein „Danke..ist ein schöner Tag heute“ ehrlicher gemeint gewesen. Es ist ein schöner Tag, weil Du die Sonne scheinen ließt und ich gönnte mir den einen voyeuristischen Augenblick des Hinterherschauens wie dein Pferdeschwanz im Takt zu Deinen schwungvollen Schritten hinter Dir herwippt.
Das „Hier, bitte“, mit dem ich meiner besseren Hälfte das Schreiben reiche, klang wie immer. Und wie immer fiel mir auf, dass die Schatten unter seinen Augen immer tiefer und dunkler zu werden schienen. Auch er vergrub sich in Arbeit, ließ sich von der Firma jedes Quantum Energie aussaugen und hatte längst den stillen, aber humorvollen Jungen aus der WG durch ein Uhrwerk ersetzt. Wir waren beide Arbeitstiere und es war natürlich erschienen, die WG fortzusetzen- wer kommt schließlich gerne in ein leeres stilles Haus?- und schlussendlich beugte man ja auch Gerüchten vor und und und…. Letztendlich war es müßig, zu spekulieren, ob es Bequemlichkeit oder Angst waren, die zu einem nur äußerlich umdeklarierten Status Quo mit steuerlichen Vorteilen geführt hatten. Nur gelegentlich schien meine Bereitschaft, Nacht- und Wochenenddienste zu übernehmen, für Verwunderung im Kollegenkreis zu sorgen, aber das summierte ich einfach auf der Liste der Allgemeinen Frustrationen, die sich am besten beim Krafttraining abarbeiten ließ.
Der oberste Punkt darauf war Sie. Ein versehentliches Klingeln beim Versuch, etwas in den wohl unpraktischsten Briefkasten der Welt zu zwängen. Nach einer Serie von Nachtdiensten nicht gerade in Bestlaune aus dem Schlaf gerissen, öffnete ich ihr die Tür. Und sie lächelte. Erst verlegen und entschuldigend, dann mit dieser Natürlichkeit, die wie ein Sonnenstrahl einen Gewitterhimmel durchbrach. Und ich lächelte zurück, peinlich darauf bedacht, nicht durchblicken zu lassen, wie kostbar diese Sekunden mit einer studentischen Aushilfsbriefträgerin waren.
Dabei hatte ich doch eigentlich geschworen, so etwas nie wieder vorkommen zu lassen. Nie wieder seit einem Abend im alkoholgetränkten Siegestaumel, nach dem ich nicht nur dem Fußball abgeschworen hatte. Als mehr als nur Blicke wortlos etwas passieren ließen.
Ein einmaliger, zweifelsohne alkoholinduzierter Fehltritt, ganz sicher. Dafür trug die Routine aus Arbeit, Frustpumpen, Schlafen und gelegentlichem Film- oder Zockabend mit meiner besseren Hälfte Sorge.
Bis ein Lächeln an den Mauern im Kopf rüttelte.




copyright © by todavialguien. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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