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Melancholie gegen Hoffnung

von Bambi15


Ich stand da. Einfach nur da und blickte ins nichts. Wie so oft in meinem Leben, war ich mal wieder an einem Punkt angekommen, an dem ich wieder diese Leere in mir spürte. Es war Freitag und während sich alle vergnügten, mit ihren Freundinnen und Freunden zusammen saßen oder feiern gingen, war ich mal wieder alleine zu Hause. Ich hatte keine Freunde, zumindest nicht mehr seitdem ich meinen Abschluss gemacht hatte. Unsere Clique verstreute sich in ganz Deutschland, die einen gingen nach Köln, die anderen nach Berlin und wieder andere nach Mainz. Schon bald hatten sie sich neue Freunde gesucht und ich war vergessen.
Deswegen stand ich hier, wie jeden Freitag, auf dem Balkon und starrte in den Himmel. Manchmal war er so klar, dass ich das Gefühl hatte, ich könnte in seine Unendlichkeit eintauchen und davon gleiten. Soweit bis ich an einen Ort ankam, an dem ich hingehörte. Doch nicht heute. Heute bestand der Himmel aus schwarz und lila gefärbten Wolken, die so tief hingen, als wollte der Himmel mit seiner schweren Last, die er zu tragen hatte, die Welt erdrücken und sie mit seinem grün-gelblichen Licht in Melancholie versinken lassen. Und ich ließ mich mitreißen. Als der erste Blitz die Welt für eine Sekunde erleuchten und der erste Donner sie vibrieren ließ, stand ich immer noch da und wartete. Wartete bis die erste Träne vom Himmel fiel. Wartete bis mich das Weinen forttrug, weit weg an einem Ort, der nur für mich da war. An dem ich ich war. An dem ich sein konnte, wer auch immer ich sein wollte. Und ich nicht mehr so einsam war. Einsam. Das war der Grund für all die Melancholie. Und warum der Himmel weinte.
Es regnete jetzt in Strömen. Und während ich immer noch da stand und mit geschlossenen Augen mein Gesicht gen Himmel streckte, hörte ich plötzlich wie mit einem lauten Knall eine Autotür zugeschlagen wurde. Ich erschrak ein wenig und richtete jetzt meinen Blick nach unten. Ich beobachtete, wie ein Mädchen vor einem Auto stand, als eine ältere Frau und ein älterer Mann aus dem selben Auto ausstiegen. Der Mann ging zur Hintertür und holte ein Baby vom Sitz, während die Frau versuchte einen Regenschirm aufzuspannen, wobei sie sich aber nicht gerade geschickt anstellte, da sie zu hektisch war. Als sie es endlich geschafft hatte ihn aufzuspannen, schloss der Mann gerade das Auto ab und kam mit dem Baby im Arm und einer Tasche über der Schulter zu ihr herüber. Die kleine Familie ging geradewegs auf unseren Hauseingang zu. Neue Nachbarn? Doch bevor sie aus meinen Blickwinkel verschwanden, sah das Mädchen plötzlich zu mir hoch, so als hätte sie gespürt, dass ich dort oben stand. Und die Welt schien still zu stehen, der Himmel hörte für einen Moment lang auf zu weinen und die Schwerkraft schien mich nach unten zu ihr hinziehen zu wollen. Sie winkte mir zu und ich ihr zurück. Dann ging sie weiter in Richtung Haustür. Wer hätte gedacht, dass dies der Moment war, in dem sich mein Leben verändern würde?

Völlig perplex stand ich noch da bis ich endlich einen Entschluss fasste. Heute nicht. Dieser Freitag würde anders werden. Ich rannte zurück in die Wohnung, holte den Schlüssel von der Kommode, rief meiner Mutter zu, ich würde die neuen Nachbarn begrüßen gehen und lief aus der Haustür ins Treppenhaus. Als ich unten angekommen war, ohne die Stufen herunterzufallen, war ich kurz davor es mir wieder anders zu überlegen. Was soll ich ihr sagen? Was ist, wenn ich mich völlig blamiere? Vielleicht störe ich sie nur und sie finden mich seltsam, wenn ich bei ihnen klingele! In dem Moment, in dem ich mich umdrehte und gerade wieder die Treppen hoch gehen wollte, öffnete sich die Tür. Und das Mädchen stand vor mir. Sie war größer als ich und ihr Oberkörper wirkte etwas breiter. Vielleicht ging sie gerne schwimmen? Sie hatte lange Honig-braune, wellige Haare, die in Nachtblauen Spitzen endeten, ein Nasen- und ein Lippenpiercing. Und sie war das schönste Mädchen, was ich bisher gesehen hatte.
„Oh hi, wie geht’s?“, fragte sie mich. „Wolltest du zu meinen Eltern?“
„Ähm... nein, ich... ähm, wollte... zu dir!“ Ihr überraschter Blick wandelte sich nun in ein unglaublich schönes Lächeln, als sie sagte: „Das klingt jetzt zwar irgendwie etwas schräg, aber... ich habe gehofft, dass du das sagst.“ Erleichtert atmete ich auf und merkte, wie sich jetzt auch auf meinem Gesicht ein Lächeln bildete. Wir lachten beide etwas verlegen. „Ich bin Charlie.“
„Noemi!“ Ich gab ihr die Hand und sobald sich unsere Hände berührten, wanderte ein warmes Kribbeln meinen Arm hoch, was in meinem Bauch fröhlich weiter summte. Eine Wärme trocknete die Tränen, von denen ich noch bedeckt war. Die Melancholie machte einem neuen Gefühl Platz: Hoffnung!
„Hey, ich wollte gerade etwas einkaufen gehen. Willst du vielleicht mitkommen? Ich kenne mich hier noch nicht so gut aus.“, fragte sie mich, worauf ich mit einem klaren „Ja, gerne!“ antwortete.
„Willst du eine Jacke von mir? Sieht so aus, als wäre ich nicht die einzige, die nass geworden ist.“ Ich nahm ihre Jacke entgegen und zusammen gingen wir aus der Tür nach draußen.
Und der Himmel hörte auf zu weinen, während wir zusammen unseren Weg beschritten. Er trocknete seine Tränen und öffnete seinen Schutzwall aus Wolken einen Spalt breit, um ein warmes Licht hindurch zu lassen, welches die Welt einhüllte. Ein Licht aus Hoffnung. Aus Liebe. Und ich glaubte den Ort gefunden zu haben, den ich suchte. An dem ich hingehörte.
Doch es gibt eine Sache, die ich weiß. Die Tränen und die Melancholie werden wieder kommen. Denn das eine schließt das andere nicht aus. Es sind die Momente, in denen wir lieben. In denen wir leben. Und wenn es nur ein neuer Anfang ist. Nur ein Vielleicht. Wichtig ist es, diese Momente festzuhalten und sie niemals zu vergessen, um sich zu merken: Es kann wieder besser werden. Es wird wieder besser werden. Denn alles wird am Ende gut!



copyright © by Bambi15. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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